Föhrenbergkreis Finanzwirtschaft

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Hypo Alpe-Adria: Warum Jörg Haiders Deal ein abgekartetes Spiel war

Posted by hkarner - 9. Januar 2010

Profil online, 09-01-10

Die Wahrheit über das Hypo-Debakel: warum Jörg Haiders Deal mit der Bayerischen Landesbank ein abgekartetes Spiel war. Und wie die Bayern der Investorengruppe um Tilo Berlin zu sagenhaften Gewinnen verhalfen.

Von Michael Nikbakhsh und Ulla Schmid

Wenn es einen Grund gab, Jahrgangschampagner zu entkorken, dann diesen: Am 31. Mai 2007 versammelte sich auf Einladung des Hamburger Vermögensverwalters Tilo Berlin eine Seilschaft potenter Investoren in Velden am Wörthersee, um auf einen wahrlich gelungenen Deal anzustoßen: Sie alle hatten um den Jahreswechsel 2006/2007 in die Kärntner Hypo Alpe-Adria-Bank International AG investiert – und diese dann binnen sechs Monaten um einen beachtlichen Mehrwert an die Bayerische Landesbank verkauft.

Heute, annähernd drei Jahre später
, ist die Sektlaune einem ausgewachsenen Kater gewichen.

Seit Wochen sind die Vorgänge um den Verkauf der mittlerweile verstaatlichten Hypo Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaften Klagenfurt und München. Der frühere BayernLB-Chef Werner Schmidt steht im Verdacht, die Klagenfurter Regionalbank 2007 zu einem weit überhöhten Preis erworben und damit den Freistaat Bayern geschädigt zu haben. Möglicherweise unter Mitwirkung von Tilo Berlin, dem langjährigen Hypo-Vorstandschef Wolfgang Kulterer und dem mittlerweile verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider. Für alle Beteiligten gilt ausnahmslos die Unschuldsvermutung. Die Liste von Berlins Champagnisierern ist seit der Verstaatlichung der Bank unmittelbar vor dem Jahreswechsel Gegenstand wüster Spekulationen. Österreichische und deutsche „Industrielle“, so die Mär, sollen Tilo Berlin Anfang 2007 insgesamt 635 Millionen vorgeschossen haben, damit dieser eine Sperrminorität an der Hypo erwirbt. Und sie sollen beim Verkauf der Anteile an die Bayerische Landesbank im Mai desselben Jahres gemeinsam 160 Millionen verdient haben.

Wahr ist, dass Berlin um den Jahreswechsel 2006/2007 rund 50 teils prominente Privatinvestoren aus dem In- und Ausland um sich scharen konnte: Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung; Michael Gröller, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Mayr-Melnhof; Herbert Koch, Seniorchef von Kika/Leiner; den Spediteurs-Clan Senger-Weiss; den Kärntner Holzhändler Hans Tilly; die Industriellenfamilie Turnauer; die Flick-Privatstiftung.

Nach profil-Recherchen war deren Anteil an dem Geschäft aber mehr als bescheiden. Sie sollen jeweils zwischen 500.000 Euro und fünf Millionen Euro investiert haben – viel zu wenig, um eine Transaktion dieser Größenordnung zu stemmen. Es liegt also auf der Hand, dass größere Player an dem Deal mitbeteiligt waren. Tatsächlich flossen nicht weniger als drei Viertel des Geldes über Kredite zweier Adressen: des britischen Hedgefonds Cheyne Capital Management sowie der Bayerischen Landesbank selbst. Jener Bank also, deren politische Repräsentanten sich jetzt in der Opferrolle gefallen und lautstark Schadenersatz aus Kärnten reklamieren.

Potente Partner.
Nach profil-Recherchen war das Geldhaus des Freistaats Bayern Berlins größter Financier. Von den 635 Millionen Euro, welche die Gruppe Berlin in das Hypo-Engagement investierte, kamen immerhin 300 Millionen Euro, also fast die Hälfte, aus München. Und das zu einem Zeitpunkt, da das Management der BayernLB bereits ernsthaft den Einstieg in die Hypo Alpe-Adria verhandelte.

Die Affäre nimmt ihren Ausgang im Frühjahr 2006:
Wenige Wochen nach Auffliegen der bereits 2004 entstandenen, aber zunächst vertuschten Verluste aus Devisentermingeschäften (profil berichtete ausführlich) braucht die Bank dringend frisches Kapital. Und zwar gleich 250 Millionen Euro. Über den Sommer landen auf dem Schreibtisch von Landeshauptmann Haider, er hält damals über die Kärntner Landesholding 49,4 Prozent der Hypo-Anteile, mehrere Angebote aus dem In- und Ausland. Darunter auch jenes des Wahlkärntners Tilo Berlin. Haider wird sich später damit brüsten, Berlin „persönlich“ ins Boot geholt zu haben (siehe Kasten). Der Hamburger Vermögensverwalter will im Wege einer komplexen Luxemburger Genussscheinkonstruktion zunächst tatsächlich 9,1 Prozent der Hypo erwerben und dafür 250 Millionen Euro lockermachen.

Im September erfahren die Organe der Landesholding, die in die Verhandlungen jetzt und später nicht eingebunden sind, dass „kapitalstarke europäische Familien“ in die Hypo investieren wollen. Im Dezember 2006 macht Berlin schließlich unter ungeklärten Umständen das Rennen. Seine Gruppe erhält den Zuschlag, im Wege von zwei Kapitalerhöhungen 9,1 Prozent der Kärntner Bank zu zeichnen, nebst einer Option auf den späteren Erwerb einer Sperrminorität von 25 Prozent und einer Aktie. Berlin ist dabei bereit, deutlich mehr zu bezahlen als alle anderen Interessenten. Die vom Land Kärnten engagierte Investmentbank HSBC hat für die Hypo zum 30. September 2006 einen Gesamtwert von 1,8 bis 2,2 Milliarden Euro ermittelt. Berlin dagegen setzt 2,5 Milliarden Euro an. Wie aus profil vorliegenden Sitzungsprotokollen der Kärntner Landesholding (KLH) aus 2006 und 2007 hervorgeht, stoßen Berlins Avancen schon damals auf Unverständnis. Bei einer Sitzung des KLH-Aufsichtsrats Mitte Dezember konstatiert die damalige SPÖ-Landeschefin Gabriele Schaunig-Kandut, es sei für sie „nur sehr schwer nachvollziehbar, weshalb die Investorengruppe um Herrn Dr. Berlin bereit ist, mehr zu bezahlen, als der Markt derzeit offensichtlich hergibt“.

Was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnt:
Wolfgang Kulterer, noch im Oktober 2006 vom Hypo-Vorstand an die Spitze des Aufsichtsrats gewechselt, hat bereits seine Fühler Richtung München ausgestreckt. Er verfolgt dabei nicht nur die Interessen der Bank. Seit 23. Oktober 2006 sitzt der Banker auch im Vorstand der Wiener Privatstiftung des kurz zuvor verstorbenen deutschen Industriellen Friedrich Karl Flick – also eine jener Familien, die bei Tilo Berlin investiert haben.

Am 14. Dezember 2006 unterliegt die Bayerische Landesbank dem US-Fonds Cerberus im Rennen um die Bawag. Wenig später wird Kulterer in einem profil-Interview Folgendes zu Protokoll geben: „Ich habe noch in der gleichen Stunde zum Telefonhörer gegriffen und Werner Schmidt angerufen“ (profil Nr. 21/07). Der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Landesbank bestätigt diese Version. Mit anderen Worten: Berlins Gruppe hat noch keinen Cent in die Hypo Alpe-Adria investiert, da laufen im Hintergrund bereits die ersten Verhandlungen zwischen München und Klagenfurt.

Das Karussell.
Tatsächlich langen am 19. Dezember zunächst 125 Millionen Euro aus der ersten Hypo-Kapitalerhöhung in Kärnten ein, womit die in Luxemburg eingetragene Berlin & Co. S.a.r.l. 4,76 Prozent am Bankhaus erwirbt. Nach profil-Recherchen kommt schon damals nur ein Bruchteil des Geldes tatsächlich von vermögenden Privatleuten. Den weitaus größeren Teil strecken so genannte institutionelle Investoren vor: darunter im Wesentlichen der britische Hedgefonds Cheyne Capital, der international tätige Anbieter Kingsbridge Capital sowie das Hongkonger Investmenthaus ADM Capital. In Summe wird allein Cheyne Capital bis Mai 2007 besagte 160 Millionen Euro in das Hypo-Engagement investieren.

Im Jänner 2007 konkretisieren sich die Verhandlungen zwischen Hypo und BayernLB. Bei einer Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft München wird Werner Schmidt Ende 2009 von einem entsprechenden Geheimtreffen mit Kulterer, Berlin und Vertrauten von Jörg Haider am 31. Jänner in München berichten. Öffentlichkeit und Organe der Kärntner Landesholding ahnen auch davon nichts. Bis dahin ist stets die Rede davon, dass die Kärntner Landesbank noch 2008 an die Börse gebracht werden könnte. Am 1. Februar 2007, so erschließt sich aus den Sitzungsprotokollen des Holding-Aufsichtsrats, wird die Alternative eines „außerbörslichen Verkaufs“ denn auch nur am Rande erwähnt. Doch da scheinen die Weichen längst in Richtung Übernahme durch die Bayerische Landesbank gestellt. Am 15. Februar bekunden die Bayern gegenüber den Kärntnern die Absicht, 50 Prozent plus eine Aktie an der Hypo übernehmen zu wollen. Die Deutschen taxieren die österreichische Landesbank zu diesem Zeitpunkt intern auf insgesamt rund 2,8 Milliarden Euro.

Am 1. März 2007 überweist die Gruppe Berlin die vereinbarte zweite Tranche über 125 Millionen Euro an die Hypo Alpe-Adria. Berlin & Co halten ab da 9,1 Prozent an der Bank – wieder spielen die Privatinvestoren eine untergeordnete Rolle. Nur drei Wochen danach, am 20. März, wird Werner Schmidt von seinen Eigentümervertretern ermächtigt, ein konkretes Angebot zum Erwerb von Hypo-Aktien zu stellen. Am 30. März tritt der Aufsichtsrat der Kärntner Landesholding in Klagenfurt zu seiner 42. Sitzung zusammen. Im Verlauf der Sitzung führt Vorstand Hans-Jörg Megymorez aus: „Ein Börsengang im Geschäftsjahr 2007 oder 2008 ist unrealistisch.“

Sosehr Tilo Berlin sich heute auch bemüht, die Vorgänge als „korrekt“ darzustellen – die Fakten legen anderes nahe. Spätestens ab März 2007 weiß der Vermögensverwalter, dass es den Bayern mit der mehrheitlichen Übernahme der Klagenfurter Bank ernst ist. Und es ist ebenso klar, dass dies nur über ihn geschehen kann. Im Frühjahr 2007 hat die Gruppe Berlin 250 Millionen Euro in die Bank investiert und hält also 9,1 Prozent. Zugleich haben die Investoren aber mit dem damals zweitgrößten Hypo-Aktionär Grazer Wechselseitige Versicherung (GraWe) eine Optionsvereinbarung auf den Erwerb einer Sperrminorität geschlossen. Dafür müssten Berlin & Co noch einmal tief in die Tasche greifen und 385 Millionen Euro schultern – ein Ding der Unmöglichkeit.

Ab jetzt wird es fragwürdig.
Am 3. April 2007 beschließt der Vorstand der BayernLB ohne erkennbare Not, Berlin & Co eine „Zwischenfinanzierung“ zum Erwerb ebendieser Aktien aus dem Besitz der GraWe zu gewähren: Es geht um rund 300 Millionen Euro. In Summe erwirbt die Gruppe Berlin also mit tatkräftiger Unterstützung der Bayern zwischen Winter 2006 und Frühjahr 2007 in drei Etappen 25 Prozent plus eine Hypo-Aktie um insgesamt 635 Millionen Euro. Ergibt unter dem Strich eine Bewertung der Bank von insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro.

Am 23. April aber, also nur drei Wochen nachdem Berlin den Bayern-Kredit zugesprochen bekommen hat, legen sich die BayernLB-Gremien intern fest: Sie würden gegebenenfalls bis zu 3,4 Milliarden für die gesamte Hypo bieten – also satte 900 Millionen Euro mehr, als Berlin errechnet hat. Nun ist es zwar üblich, dass jeder Investor, der eine Mehrheit an einer Gesellschaft erwirbt, dafür auch mehr bezahlen muss, will er dann dort das Sagen haben – im Fachjargon spricht man von einer „Kontrollprämie“. Doch 900 Millionen Euro Überzahlung erscheinen sogar bei wohlmeinender Betrachtung maßlos, zumal die Hypo Alpe-Adria schon damals auf schwachen Beinen stand.

Fotofinish.
Ab Anfang Mai 2007 geht es schließlich Schlag auf Schlag. Am 16. Mai fixiert Jörg Haider in München den Hypo-Verkauf, am 17. Mai inszeniert er in Klagenfurt eine Pressekonferenz, über den Sommer werden die Verträge finalisiert, im Oktober schließlich geht die mehrheitliche Übernahme auch formell über die Bühne. Die Bayern erwerben auf Basis einer Gesamtbewertung von fast 3,3 Milliarden eine hauchdünne Mehrheit an der Hypo Alpe-Adria. Am 21. Mai geht es bei einer weiteren Sitzung des überrumpelten Aufsichtsrats der Kärntner Landesholding zur Sache. SPÖ-Chefin Schaunig-Kandut moniert, „dass Kulterer vom Aufsichtsrat … keinesfalls ermächtigt wurde, mit der Bayerischen Landesbank zu verhandeln, was jedoch ganz offensichtlich bereits seit Dezember 2006 erfolgt ist“.

Die großen Gewinner:
Tilo Berlin und Konsorten. Sie haben insgesamt 635 Millionen investiert – und bekommen von den Bayern nun 795 Millionen Euro überwiesen. Ergibt eine Rendite von 160 Millionen innerhalb weniger Wochen.

Das wirft zwei Fragen auf:
Wie konnte es sein, dass die Hypo zum Jahreswechsel 2006/2007 allenfalls 2,5 Milliarden Euro wert war, keine sechs Monate später aber bereits 3,3 Milliarden Euro? Und warum bezahlten die Bayern, die Berlin für den Ankauf weiterer Hypo-Anteile 300 Millionen vorgestreckt hatten, kurz darauf für genau diese Aktien deutlich mehr? Anders ausgedrückt: Die Gruppe Berlin legte pro Hypo-Aktie 567 Euro aus, die BayernLB kaufte zum Stückpreis von 670 Euro. Tilo Berlin hat demnächst Gelegenheit, diese Fragen zu beantworten. Dienstag dieser Woche hat er sich bei der Staatsanwaltschaft München zu einer „freiwilligen“ Aussage angemeldet. Champagner wird bei diesem Treffen wohl keiner kredenzt

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