Föhrenbergkreis Finanzwirtschaft

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Interview mit Jörg Zeuner: „Für einen Griechenland-Austritt ist es zu spät“

Posted by hkarner - 24. Oktober 2012

Dieser Herr hat offenbar einen „Huscher“! Für unsere deutschen Leser: hier ist die Übersetzung! (hfk)

von Jan Mallien, Handelsblatt.com

24.10.2012, 13:31 Uhr

Griechenland soll in der Eurozone bleiben, sagt Jörg Zeuner. Im Interview spricht der neue Chefvolkswirt der KfW über die schlechte Stimmung in der deutschen Wirtschaft, harte Zahlen und Fortschritte in der Euro-Krise.

Jörg Zeuner ist seit 1. Oktober 2012 neuer Chefvolkswirt der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Quelle: Pressefoto

Frankfurt. Herr Zeuner, die Stimmungsindikatoren für die deutsche Wirtschaft zeigen keine klare Richtung. Die Erwartungen der Finanzmarktexperten im ZEW-Index sind zuletzt gestiegen. Andere Indikatoren wie der Ifo-Index gefallen. Was erwarten Sie?
Die Stimmung wird besser. Normalerweise laufen die Stimmungsindikatoren der Wirtschaftslage voraus. Im Sommer sorgte die Eurokrise aber für Übertreibungen nach unten. Harte Zahlen wie der Export im August fielen überraschend gut aus. Wir gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft auch im vierten Quartal leicht wächst.

Wendet sich die Stimmung jetzt?
An den Anleihe- und Aktienmärkten sehen wir das schon. Von einer konjunkturellen Wende zu sprechen, ist mir aber zu früh. Bisher haben wir nur wenige Daten, die das zeigen.

Konjunkturprognosen der vergangenen Monate

  • Bundesregierung

    Die Bundesregierung geht bisher von 0,8 Prozent Wachstum für Deutschland in diesem Jahr aus.

  • Internationaler Währungsfonds

    Optimistischer ist der Internationale Währungsfonds (IWF). Er sagte im Oktober ein Plus von 0,9 Prozent für 2012 voraus. 2013 sollen es ebenfalls 0,9 Prozent werden.

  • OECD

    In ihrer Prognose von September sagt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für 2012 für Deutschland ein Wachstum von 0,8 Prozent voraus.

  • Staatseigene Förderbank KfW

    Die KfW rechnet für 2012 nur noch mit einem deutschen Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent. Im Mai hatte sie noch ein Plus von 1,2 Prozent vorhergesagt. Für 2013 erwartet sie nur noch ein Wachstum von 1,5 Prozent nach zuletzt geschätzten 2,0 Prozent. Als Grund nannte die staatseigene Förderbank die Rezession in den europäischen Krisenländern, die zunehmend auch in Deutschland spürbar sei.

  • IW

    Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet für 2012 mit einem Plus von 1,0 Prozent und für 2013 mit einem Wachstum von 0,7 Prozent.

Welchen Einfluss hat die Geldpolitik?

Die EZB hat die Finanzmärkte stabilisiert. Sie kauft in Zukunft Anleihen von Reformländern, wenn sie es für nötig hält. Die US-Notenbank stützt weiter die Konjunktur. Auch die asiatischen Notenbanken sind dazu übergegangen, die Zinsen zu senken.

Was spricht sonst noch dafür, dass es aufwärts geht?

Wir rechnen mit soliden Wachstumsraten in den USA und in Asien sowie stabilen Rohstoffpreisen. All dies verbessert das globale Umfeld für Deutschland und Europa. Wenn sich das bestätigt, werden die Investitionen der Unternehmen wieder steigen. Der Konsum ist stabil, solange die Reallöhne moderat steigen. Dynamisch entwickelt sich der Wohnungsbau.

Manche warnen schon vor einer Immobilienblase in Deutschland. Zu Recht?

Das ist übertrieben. Die Wohnungspreise steigen wegen der niedrigen Zinsen und weil es momentan eine Präferenz für Sachanlagen gibt. Das wird sich auch wieder ändern. Wenn sie die Preisentwicklung mit Spanien und den USA vergleichen, dann hat der Anstieg auch längst nicht das Tempo, das er in diesen Ländern vor 2008 hatte.

War Draghis Ankündigung, im Notfall unbegrenzt Anleihen der Krisenländer zu kaufen, alternativlos?

Sie war richtig. Die Stimmung im Sommer war so schlecht, dass die EZB handeln musste. Es floss viel zu viel Kapital aus den Reformländern ab. Die EZB weist zu Recht auf den gestörten Kreditkanal hin und auf das zu niedrige Neukreditgeschäft in den Peripherie-Ländern. Die hohe Unsicherheit bei den weltweiten Investoren ist der Hauptgrund dafür. Die EZB ist zu dem Schluss gekommen, dass das Anleihekaufprogramm der beste Weg ist um den Kapitalabfluss zu bremsen, den gestörten Kreditkanal zu reparieren und gleichzeitig die Reformen in Gang zu halten. Sie hat dann konsequent gehandelt.

„Die Euro-Krise ist eine Vertrauenskrise“

Ist der Höhepunkt der Euro-Krise nach dem Eingreifen der EZB jetzt überstanden?

Die Eurozone verändert sich. Wir haben einen Krisenfonds ESM, und wir bekommen eine Bankenunion und einen Fiskalpakt. In der Bankenunion kommen die beiden wichtigsten Elemente, die Aufsicht und das Krisenmanagement auf europäische Ebene. Ich glaube, dass die Investoren diese Neuerungen bald honorieren werden, wenn es keine wesentlichen Rückschläge gibt. Die Euro-Krise war und ist im Wesentlichen eine Vertrauenskrise.

Wie lange dauert das noch?

Das hängt auch vom Anpassungsprozess in den Reformländern im Süden ab. Dort werden die Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite unwahrscheinlich schnell abgebaut. Meine Vermutung ist, dass deutlich mehr als die Hälfte der Strecke zurückgelegt ist. Ausgeglichene Leistungsbilanzen sind kein Fernziel mehr. Wichtig ist aber auch, dass die Volkswirtschaften wieder wachsen. Wenn wir soweit sind, dürfte das Schlimmste überstanden sein.

Ein stärkerer Exportsektor hat sich in Ländern wie Griechenland aber noch nicht entwickelt. Ist der Rückgang des Leistungsbilanzdefizits dort nicht vor allem darauf zurückzuführen, dass die Wirtschaftsleistung sinkt?

Das stimmt. Leider müssen zunächst die Einkommen sinken, um die Nachfrage an die neuen Finanzierungsbedingungen anzupassen. Das ist im Einzelfall sehr dramatisch, weil Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren. Das Harte an einer Leistungsbilanzkrise ist ja, dass viele gesunde Unternehmen, Banken und Haushalte plötzlich keine Finanzierung mehr für ihre Produktion und ihre Investitionspläne bekommen. Der Mangel an Kapital führt in die Rezession, die sich infolge der hohen Arbeitslosigkeit selbst verstärkt. Der Weg daraus führt über die Rückkehr der Investoren und eine Sanierung der Banken. Im Übrigen bin ich nicht der Meinung, dass die Exportsektoren in den Reformländern zu schwach sind. Sie sind zu klein. Dennoch sind die spanischen Exporte in den letzten drei Jahren um fast 25 Prozent gewachsen, die italienischen um fast 20 Prozent – und das ohne Abwertung. Selbst in Griechenland ist der Exportsektor heute fast genauso groß wie zu Beginn der Krise. Hierauf kann man aufbauen.

Schäuble hat sich festgelegt, dass Griechenland in der Eurozone bleiben soll. Halten Sie das für richtig?

Ja, für einen Austritt Griechenlands ist es jetzt zu spät. Griechenland hat seine Reformen als Mitglied der Eurozone eingeleitet. Es muss ohne Zugang zum Kapitalmarkt zurechtkommen und verfolgt deshalb eine harte Konsolidierungspolitik. Wenn das fortgeführt wird, ist Griechenland bald wirtschaftlich deutlich besser aufgestellt. Jede andere Richtung würde jetzt ganz neue Kosten verursachen. Was man jetzt schon in den Reformprozess investiert hat, würde man dann ja auch nicht zurückbekommen.

„Wir dürfen nicht nur eine Kennziffer betrachten“

Wenn es Fortschritte bei der Anpassung gibt, was sind dann noch die drängendsten Baustellen in der Währungsunion?

Ein Thema sind Strukturreformen, um die Erfolge beim Abbau der Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizite zu konsolidieren. Das zweite Thema ist die Architektur der Währungsunion. Wir haben offene Güter- und Finanzmärkte innerhalb des Währungsraumes. Wir haben einen Rettungsfonds und bekommen eine Bankenunion. Offen sind noch die genauen Modalitäten in der Koordination der Fiskalpolitik. Eine bessere Integration der europäischen Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen wäre wünschenswert, liegt aber wahrscheinlich noch weiter in der Zukunft. Mit den ersten drei Elementen haben wir aber bereits tragfähige Säulen für das Gesamtsystem. Das dritte Thema sind die Rezessionen in den Reformländern. Wir brauchen Kapitalströme in diese Länder, um den Wiederaufbau zu finanzieren.

Spanien und Irland waren vor der Finanzkrise Musterschüler bei der Einhaltung der Fiskalkriterien von Maastricht. Dennoch stecken sie in Schwierigkeiten. Können strenge Fiskalregeln eine Krise verhindern?

Sie haben Recht. Im Falle Spaniens und Irlands sind die fiskalpolitischen Probleme ein Symptom nicht die Ursache. In beiden Ländern hatte sich nicht der Staat, sondern der Privatsektor stark verschuldet. Dies machte sich erst später in der Staatsverschuldung bemerkbar. Deshalb dürfen wir in Zukunft auch nicht nur eine Kennziffer betrachten, sondern müssen tiefer in die Analyse von Volkswirtschaften einsteigen und verschiedene Kriterien für Stresstests heranziehen, wie etwa die Häuserpreise, das Kreditwachstum oder die Aktienmärkte.

Wer soll diese Analysen liefern?

EZB, ESM oder die Europäische Kommission könnten das machen. Alle drei setzen sich täglich damit auseinander.

Zum Schluss noch eine Frage zu Ihnen. Als neuer Chefvolkswirt haben Sie vor einigen Wochen die Volkswirtschaftliche Abteilung der KfW übernommen. Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Wir werden uns mit den Fragen beschäftigen, ob und wie wir nachhaltig und qualitativ wachsen. Wie gehen wir die Herausforderungen der nächsten Jahre, etwa den demografischen Wandel, die Globalisierung oder die Energiewende, an? Den deutschen und europäischen Konjunkturverlauf werden wir genauso weiter beobachten wie wir den deutschen Mittelstand und die Kommunen weiter begleiten. Darüber hinaus können meine Mitarbeiter und ich uns bei der KfW unabhängig den langfristigen ökonomischen Trends widmen. Wir werden versuchen, der Internationalisierung Rechnung zu tragen und verstärkt globale Trends zu bewerten. Wenn sie die Hälfte ihrer Produktion ins Ausland verkaufen, wie Deutschland, dann müssen sie sich diese Trends anschauen.

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